Samstag, 16. Februar 2008

Allein in Tokyo unterwegs - Todai, Yayoi-Museum, Yushima-Tenjin-Schrein, Kodokan (16.2.2008)

Mein vierter Tag in Japan. Die Zeitkrankheit scheint vorbei zu sein. Eigentlich wollte ich mit Franzi und Anne heute zumindest bis Shibuya fahren, aber sie waren schon weg. Nun ja, dann musste ich mich eben allein durchschlagen. Wie es war? Also, wer sich schon mal durch Berlin, München oder Prag gewurschtelt hat, der schafft das auch in Tokyo. Vorausgesetzt man hat einen U-Bahn Netzplan, einen JR-Netzplan (Eisenbahngesellschaft), einen guten Reiseführer und kann ein bisschen Japanisch. Und wenn man verwirrt in der Gegend rumsteht, sich am Kopf kratzt und in eine Karte guckt, kommt mit etwas Glück ein Japaner angelaufen und fragt ob er helfen darf. Das ist schön, die Japaner sind so freundlich und helfen immer, lächeln dabei, nehmen sich Zeit für dich. Wenn man nach dem Weg fragt gehen einige sogar ein kleines Stück mit. Was mir hier noch positiv aufgefallen ist, man muss keine Angst um seinen Rucksack oder so haben. Die Kriminalitätsrate ist hier extrem niedrig. Die Straßen sind unglaublich sauber, kaum irgendwo sieht man eine weggeworfene Kippe oder zerbrochenes Glas, einen Papierschnipsel oder so. Und es gibt kein Grafitti, außer bei Shibuya, da habe ich mal zwei Tags gesehen. Nun, wahrscheinlich dauert es einfach zu lange die Kanji mit einer Spraydose zu malen. Für Japaner sind Kanji ja auch etwas besonderes, ich denke deshalb kommt auch niemand auf die Idee etwas heiliges einfach an eine Wand zu pinseln. In den U-Bahnen gibt es übrigens so blaue Sitze speziell für Schwangere, Menschen mit Babys, Menschen mit gebrochenen Beinen und alte Leute. Dort muss man auch sein Handy abschalten. Japaner besitzen solche Superhandys, die sogar in der U-Bahn funktionieren, was wäre ein Japaner auch ohne sein Handy...

Ich entschloss mich heute nach Hongoo-Sanchome zu fahren. Dort sollte das Yayoi Art Museum in der Nähe sein und die Todai (Tokyo Daigaku, DIE Uni Tokyos). Ich ging durch das Rote Tor. Millionen Studenten wünschen sich durch dieses Tor zu schreiten.
Das Gelände ist riesig. Alles sind so Backsteinbauten, aber irgendwo an der Seite war eine Art Schrein, ich, neugierig wie ich bin, habe nachgesehen. Der unscheinbare Schrein entpuppte sich als Anfang eines malerisch gestalteten japanischen Gartens mit großem Teich und Wasserfällen.


Nach einigem Herumirren und Japaner nach dem Weg fragen fand ich dann das Museum.

Yayoi-Mon, einer der Eingänge zur Tōdai
In dem Museum durfte ich keine Fotos machen und nicht filmen. Man fand dort alte Magazine und Hefte aus den 30ern, alte Comics oder so (上り) aus den 20ern und 30ern mit teilweise kriegsverherrlichenden Comics für Kinder, eine kleine Sammlung von Filmplakaten aus den 60ern, Bilder mit heroischen Frauen als Ninjas oder Samurai aus den 20ern und in einem kleineren angrenzenden Museum Bilder mit Kreuzen, Kerzen und Nonnen aus der Showa-Zeit und nach 43 rum. Ich deckte mich mit Postkarten ein. Das Bild, was ich besonders schön fand (eine Frau mit einem großen Rückentattoo) gab es nicht als Postkartenmotiv. Japanische Toiletten Teil 2: Dass der Sitz beheizt ist und das Klo seltsame Plätschergeräusche von sich gibt, daran kann man sich ja gerade noch so gewöhnen, aber es ist dermaßen nervig (vor allem an relativ öffentlichen Orten) jedes mal seine Schuhe auszuziehen bevor man aufs Örtchen geht. Außerdem nervt es, dass es nirgendwo Handtücher oder was zum Händetrocknen gibt.

Mein nächstes Ziel war der Yushima-Tenjin-Schrein, der berühmt ist für seine Pflaumenblüte Ende Februar (ja, die Vegetation ist hier etwas seltsam).
Tenjin ist übrigens der Gott des Lernens, deshalb hängen hier auch zur Zeit der Eintrittsexamen tausende von hölzernen Wunschtäfelchen, weil alle an die Todai wollen.

Kurioses 2: Japaner stehen an zum Beten.

Anscheinend war ich gerade richtig zur Zeit des Pflaumenblütenfestes, auf dem Gelände war eine Mordsgaudi, da gab es eine Trommelshow und lauter Marktstände, die seltsame Speisen feilboten. Ich traf zwei Japanerinnen in traditioneller Kleidung und fragte ob ich ein Foto machen dürfe, sie boten an sich mit mir zusammen zu fotografieren. Echt nett.
Ich aß meinen mitgebrachten, kalten, ungewürzten Reis und machte mich dann auf den Weg zu einem ganz besonderen Ort. In Kooraku befindet sich das Mekka für alle Judofans (wie mich) das Kōdōkan. Es ist das Hauptquartier des Judo. Ich habe es zuerst nicht gefunden und fragte mich durch. Kein Wunder, es war versteckt unter mehreren Lagen Bauplanen. Das Gebäude wird nämlich gerade renoviert. So konnte ich nur die Statue von Jigoro Kano (dem Gründer von Judo) fotografieren, mich freuen, dass ich mal hier war und wieder gehen. Aber es war ein großartiges Erlebnis.

Bevor ich zurück zum Wohnheim ging, kaufte ich noch in Hiyoshi (unsere U-Bahn-Station „fast“ (20 Minuten Fußweg) vor der Tür) ein. Lebensmittel sind hier nicht gerade billig, besonders mit Wurst und Käse sieht es mau aus, vom Ost mal ganz zu schweigen. Danach machte ich mich zurück auf den Weg zum Wohnheim. Es war bereits dunkel geworden. Der Weg zu unserem Wohnheim ist im Dunkeln ganz schön gefährlich, wenn man nicht gerade an einer vierspurigen Hauptstraße entlang läuft. Japaner lieben Fußwege nämlich in etwa so wie Fußpilz. Wenn man Glück hat gibt es einen etwa 30 cm breiten Streifen, der von der Straße durch einen weißen Strich getrennt ist, ansonsten muss man auch mal ohne auskommen. Die Straßen sind eh alle ziemlich schmal. Wer nicht eines der japanischen Kasten-Autos fährt, hat hier schlechte Karten. Straßenregeln werden hier übrigens recht frei interpretiert, da fährt man mal eben in die andere Spur, weil wieder ein musikalisches Müllauto mitten auf der Spur (also am Rand) parkt, aber das sieht hier keiner so eng. Musikalische Müllautos gibt es hier viele. Jedes hat eine andere Melodie, wenn sie durch die Straßen fahren spielen sie es unentwegt, wie das Bimmeln des Eismanns. Es herrscht hier übrigens Linksverkehr, wie auf allen mir bekannten größeren Inseln. Ja, auf dem Kontinent wäre es ja ein bisschen problematisch wenn man die Grenze eines Landes überfährt und plötzlich alle Autos die Seite wechseln müssten. Japanische Version eines Stoppschildes: tomare
Meine Heizung funktioniert übrigens endlich, Franzi hat sie mir eingestellt. Es war die letzten Tage saukalt, denn die Fenster hier sind nicht isoliert, die Häuser geben alle übelst Wärme ab, die fangen hier erst an mit Klimaschutz, das ist noch nicht so weit. Heute Abend gab es bei mir Milchreis. Ich hatte mir heute ein paar von den schicken Zuckerröhrchen gekauft. Alle haben 6 Gramm Zucker einzeln verpackt in Papierröhrchen. Ich fragte mich wie viele von den Röhrchen ich wohl brauche, um den Milchreis annehmbar zu süßen (7). Es schmeckte. Ja, man lernt die Vielfältigkeit von Reis zu schätzen. Man kann Reis ohne Zucker essen, mit Zucker, ohne Salz und mit Salz und auch mal mit Milch...

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