Sonntag, 2. März 2008

Homestay am Shugendo-Tempel, Odawara und Puppenfest (1.-2.3.2008)

Ja, ich weiß durchaus, dass es dieses Jahr einen 29. Februar gab, ich habe ihn auch nicht vergessen, ich habe nur mal einen Tag Pause gemacht.
Am 1. und 2.3. war dann mein Homestay bei Rio. Wir wollten uns am Yokohama Bahnhof treffen. Da wir uns aber in letzter Zeit immer in Shibuya getroffen hatten, fuhr ich also treudoof nach Shibuya und wartete dort. Dann irgendwann fiel es mir wie Schuppen von den Augen, ich rannte zur nächstbesten Bahn und fuhr damit den ganzen Weg zurück, stieg in Hiyoshi aus, und fuhr mit einer anderen Bahn weiter nach Yokohama. Zum Glück stand Rio noch da. Ich war erleichtert und entschuldigte mich tausend Mal. Mann, war mir das peinlich. Bin eben doch nur ein dummer Gaijin. Wir fuhren dann von dort aus mit der Bahn nach Odawara und kauften dort japanische Süßigkeiten. Japanische Süßigkeiten bestehen meistens aus Reis oder Mochi oder Bohnenpaste oder diese Zutaten in Kombination. Bei diesen Süßigkeiten kam dann noch ein in Salz eingelegtes Kirschbaumblatt dazu, was man mitessen konnte. Vom Bahnhof liefen wir dann bis zu ihr nach Hause, das war nicht weit. Allerdings war die Strecke von Yokohama bis zum Bahnhof Odawara irgendwas um die 50 km weit.Das Haus, in dem Rio mit ihrer Familie wohnt ist wirklich sehr groß. Die Großeltern wohnen in einem extra Haus 10 m über den Hof. Im Haus wurde mir dann mein Zimmer gezeigt, ein richtiges, echtes Tatami-Gästezimmer.

Ich wurde der Mutter und Rios kleinem Bruder (Yusei) vorgestellt. Sie sind beide sehr nett. Außerdem wurde ich noch von zwei Hunden lauthals empfangen. Ihre Namen sind Ritter und König, sie sind Zwillinge und können sehr, sehr laut bellen. Wir setzten uns an einen flachen Tisch, wo man die Füße so unter eine Decke tut. Unter dem Tisch ist es dann ganz warm, also praktisch ein beheizter Tisch. Yusei schaute fernsehen, das heißt, der Fernseher lief eigentlich 24 Stunden am Stück, ab und zu sah jemand hin. Am Anfang ging es in der Sendung um das Schreiben von komplizierten Kanjinamen, die keiner kennt, auf Zeit. Dann folgte eine Sendung über Kammerjäger, wo Ratten und so eine Art Nerze gejagt wurden. Nebenbei aßen wir eine von den japanischen Süßigkeiten. Sie schmecken sehr gut.
Rio bot mir an jetzt den Tempel anzuschauen. Keine 30 Meter von ihrem Haus befindet sich ein Tempel/Schrein. Die Religion des Shugendo (http://de.wikipedia.org/wiki/Shugendo) die hier ausgeübt wird vereinigt Buddhismus und Shintoismus miteinander, daher ist die Bezeichnung im Deutschen nicht ganz klar.
Man ging über eine Steintreppe auf einen Berg hinauf und oben empfingen einen dann zwei Löwen. Der eine hat sein Maul offen, der andere geschlossen. Das bedeutet A und N, der erste und letzte Buchstabe des japanischen Alphabets. Im Deutschen gibt es ja auch Alpha und Omega (zumindestens unter den kirchlich etwas Bewanderten unter uns). Zwischen diesen beiden Löwen (und rundherum), so sagt man sich, wird das Böse vertrieben.Ein Stück weiter war dann der Schrein.
Rios Vater ist Priester des Shugendo, daher ist der Schrein praktisch seine Arbeitsstelle und Rio hatte daher auch Zugang zu allem. Ich war wahnsinnig aufgeregt, weil ich das erste Mal in einen Schrein hineingehen durfte. Also hinter die Kulissen. Der Schrein war wirklich wunderschön.
Ich durfte mir die alten Holzschnitzereien und Kami-Figuren ansehen, fotografieren war verboten, verständlich. Da war zum einen eine Figur des Gründers des Shugendo (En no Gyōja) und die Figur des Haupt-Kami Fudō Myōō. Er wird dargestellt als Mann mit einem Schwert in der einen Hand und einer Schnur mit Haken in der anderen. Hinter ihm lodert ein großes Feuer. Das Schwert dient dazu die guten Geister von den Bösen zu trennen, die Schnur ist dazu da die Bösen aus dem Herzen heraus zu ziehen. Auch hier erkannte ich eine seltsame Parallele zum Christentum, (vgl. ...zu richten die Lebenden und die Toten...). Überhaupt habe ich in diesem Schrein etwas Seltsames gespürt, eine große Menge von Energie, das hat mich sehr bewegt und beeindruckt. Mir war, als stünde dieser Schrein an einem heiligen Platz. Ich fragte wie alt er sei. Das Gebäude sei erst neu, aber der Tempel selber sei etwa 500 Jahre alt. Das erklärte einiges.Wir versuchten uns schließlich in Origami. Yusei hatte richtiggehend Spaß daran lustige Sachen aus Papier zu falten. Ich probierte einen Fisch, eine Lotusblüte (gaaanz schwierig) und eine Schwalbe. Das hat sehr viel Spaß gemacht.
Später am Tag begegnete ich dann zum ersten mal Rios Vater. Er ist genau wie Rios Mutter (und eigentlich die ganze Familie) ein sehr netter Mensch. Ich versuchte zu erklären (schwierig auf Japanisch) was ich in dem Schrein gespürt hatte. Er schien mich zu verstehen.
Es gab ein japanisches Abendessen mit Kohlblättern und irre leckeren Fleischspießen mit Panade. Die Mutter von Rio freute sich, dass es mir schmeckte. Dazu aß man Reis und Sojasoße und so eine Art Reis und Gemüse in Ei gebraten. Es war wirklich lecker und da ich kein Mittag hatte war ich dementsprechend hungrig. Nebenbei schaute Yusei fasziniert einer Sendung über UFOs zu und stieß ab und zu erschrockene Laute aus und hielt die Hände vor die Augen. Das amüsierte uns alle.
Nach dem Abendessen wurde noch ein bisschen mit Papier gebastelt und geredet. Die Hunde durften aus ihrem Laufgitter raus und beschnüffelten mich überall, ließen sich dann auch streicheln. Wir schauten uns ein Video von einem Shugendo-Fest hier im Schrein an. Das Feuerfest im Dezember. Man läuft da übr glühende Kohlen und so. Mein Gastgeschenk wurde geöffnet, weil darin ua. Eine CD vom Weihnachtsoratorium war, was Rios Vater sehr mochte. Er summte alles auswendig mit. Da dies allerdings nur ein Zusammenschnitt von einigen Titeln war, bot ich an von meinem Laptop die Komplettversion zu kopieren (Privataufnahme von meinem Kirchchor). Japaner haben in ihrer Geschichte die tollsten Dinge erfunden, wie beheizte Tische und Kühlschrank-Schließfächer im Supermarkt, aber noch niemand scheint hier auf die Idee gekommen zu sein, dass man Daten mit einem USB-Stick von einem Computer zum anderen transferieren kann. Jedenfalls wurde mächtig gestaunt, als ich mit dem Stick Weihnachtsoratorium und Johannespassion (Privataufnahmen von meinem Kirchchor) auf den Familiencomputer schob. Der Vater von Rio freute sich riesig, denn er mag die alte Musik, Bach und so und hat sich im Konzerthaus auch die Matthäuspassion angehört, er kann das WO auswendig mitsingen (nur von CD gehört) aber er singt nicht selber, obwohl er gut singen kann. Ob zu Schreinfesten gesungen werde, fragte ich. Leider nein, warum konnte er aber auch nicht erklären. Ich finde es schade, dass sie buddhistische und shintoistische Religion hier so wenig mit Musik macht.
Ich zeigte dann auch ein paar Fotos von mir auf dem Laptop. Dann durfte ich noch ein echt japanisches Bad nehmen. Das ist ein Erlebnis. Das Bad hat zwei Räume. Einen mit Waschbecken, wie man ihn aus Deutschland kennt und einen angrenzenden mit Wanne. Bevor man in die Wanne steigt muss man sich sauber schrubben. Danach darf man rein ins warme Nass mit ganzen 43 Grad. Es war richtiggehend angenehm. Ich hätte da Stunden drin liegen bleiben können. Aber nun ja, man soll aufhören wenn es am schönsten ist, ne.

2.3.2008
Am nächsten Tag gab es japanisches Frühstück. Rios Vater hatte gestern im Scherz gesagt, dass er in Deutschland immer Brot und Käse gegessen hat. Irgendwoher kam mir das bekannt vor. Das hatte man mir in Amerika nämlich ebenfalls vorgehalten, dass Deutsche alles mit Brot essen. Aber es stimmte. Deutsches Frühstück unterscheidet sich von japanischen enorm.
Es gab Kamaboko (Fischwurst) mit Sojasoße und Wasabi (eine Art scharfer Meerrettich), Rührei mit Zucker, Tofu mit Lauch und Sojasoße, Zwiebelsuppe und gaaaanz lecker Mochi (ohne Bohnenpaste) mit Käse überbacken. Ich glaube das wird mein neues Leibgericht. Käsemochi. Danach machte Rio noch Macha und wir aßen die restlichen japanischen Süßigkeiten dazu. Das war sehr lecker. So bitter ist Macha übrigens nicht, ich finde den anderen klaren Tee, der z.B. in jedem Restaurant gereicht wird viel bitterer. Dann machte Rio noch Macha mit Zucker und Milch...totemo oishii...sehr, sehr lecker.Wir machten einen Spaziergang durch den Ort. Dabei ging es durch einen kleinen Garten mit Teich. Der Garten gehörte, soweit ich das verstanden habe, einem Präsidenten einer bekannten Energie-Firma. Es ist ein sehr großes, sehr schönes Haus. Wir durften es uns ansehen und auch Fotos machen.
Anschließend liefen wir zur Mittelschule von Odawara, von wo man eine super Aussicht auf das Meer hatte.
Zurück in Rios Haus begann die Familie das Mittagessen vorzubereiten. Gebratene Soba Nudeln mit Weißkohl und Schinkenstückchen. Sehr lecker. Ich hatte ja schon oft von der Abneigung der Japaner gegen Milchreis gesprochen. Umso überraschter war ich, dass Rio mir angeboten hatte, dass ich Milchreis kochen könne. Also kochte ich eine Menge, die für etwa 5-6 Personen als Nachtisch reicht. Der Familie (die so etwas noch nie vorher probiert hatte, man isst hier Reis nämlich ausschließlich mit Salz) war positiv überrascht, es schmeckte ihnen sehr gut. Rios Vater, der erst später essen konnte, weil er arbeiten war, rief uns extra auf Rios Handy an, um mir das noch zu sagen (auf deutsch).
Ich verabschiedete mich dann von der Familie (an dieser Stelle noch mal danke für alles und für die tollen Geschenke: Glückspfeil, Essstäbchen und Origamipapier) und Rios Mutter fuhr uns zum Odawara Schloss. Es gehörte früher einem reichen Ritter, dessen Statue man in Bahnhof bestaunen kann. Nahe dem Schloss ist ein kleiner Zoo mit ein paar Affen und einem Elefanten.
Die Elefantendame ist schon sehr alt. Ihr Name ist Umeko (Pflaumenkind).

Ich machte ein paar Fotos vom Schloss, dann machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof. Dort war zu unserer Überraschung gerade eine Puppenausstellung, weil morgen ja das Hina-Matsuri (Puppenfest) ist. Die Puppen müssen bis zum 3.3. weggeräumt sein, ansonsten bekommt das betreffende Mädchen keinen Bräutigam mehr ab. Harte Sitten. Hier ein paar Fotos von den Puppen ua. aus der Meiji-Zeit.


Rio und ich fuhren dann nach Yokohama zurück. Da ich sie heute zum letzten Mal sehen würde, verabschiedeten wir uns ausführlich. Vielleicht kommt sie ja mal nach Deutschland, das würde mich freuen. Wir hatten viel Spaß hier. Dann fuhr ich zurück zum Wohnheim.

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